Maja aus Hamburg berichtet:
Die OMAS GEGEN RECHTS in Halle wurden von dem stadtbekannten Nazi und ehemaligen Mitglied in „Blood and Honor“ Sven Liebig schwer beleidigt und auch körperlich angegangen. Er rief öffentlich dazu auf, die Adresse vor allem einer OMA herauszufinden, die in einem Fernsehinterview zu sehen war, um vor ihrem Haus demonstrieren zu können.
Die Aktion zur Solidarität mit den Hallenser OMAS entstand ganz spontan und entwickelte sich dann doch zu einer recht großen Sache. Allerdings mussten wir die Planung sehr geheim halten, da wir Spione in den Facebook- und Mailgruppen befürchten mussten, was sich auch bestätigte. Und wir wollten weder, dass L am geplanten Datum nicht auftaucht, noch dass er sich mit mehr als seinen 20 Fans umgibt und Ärger macht.
Darum wurden sowohl Tag als auch Details der Aktion nur in direktem Kontakt weiter gegeben, und zwar bei allen Gruppen, die beteiligt waren. Das waren neben Halle und Hamburg noch Kandel (ebenfalls von L gebeutelt), Wetterau, Berlin, Verden, Erfurt, Osnabrück, Stade, Köln, Karlsruhe, Frankfurt, Hannover, Eifel, und später kam noch Leipzig dazu. (Ich hoffe, ich habe niemanden vergessen).
Wir haben 4 Zommkonferenzen abgehalten und die Aktionsplanung besprochen. Dabei kam auch das Thema Presse zur Sprache. Wir einigten uns auch hier auch private Kontakte und strenge Geheimhaltung. Darum waren nur ein Team vom ZDF (Kontakt Kandel, zu sehen am 18.08.) und eine Reporterin aus Halle (Kontakt Halle) direkt dabei, die ebenfalls bis dahin alles geheim hielten.
Die Uhrzeit, an der L. seine übliche Brüllaktion starten würde, war nicht ganz klar. Aber wir waren rund um den Haller Markt in den Cafés und auf den Bänken startklar verteilt. Wir waren regelrecht unsichtbar. Das Bündnis „Halle gegen Rechts“ war mit im Boot und hatte einen Stand und Gegenprotest angemeldet. Aus diesem Grund war erheblich mehr Polizei auf dem Markt also sonst. Das Bündnis hat sich rührend um uns gekümmert. Sie hatten Wasser und Sitzplätze im Schatten für uns bereit und gingen auch zwischen uns herum, um Wasser zu reichen. Dazu haben sie fleissig gefilmt und fotografiert. Von den OMAS war Maja Wiens aus Berlin als „Reporterin“ unterwegs und hat ebenfalls gefilmt, was das Zeug hielt. Das Ergebnis wird gerade zusammen geschnitten und nachgeliefert.
Als L nun seinen Caddi (von ihm Demopanzer genannt) bestieg, tauchten wie aus dem Nichts ca. 80 OMAS auf dem Marktplatz auf. Ein Meer an Schirmen war zu sehen. Wir zogen die Westen an, trugen OMA-Masken, hielten OMA-Abstandsbänder und trillerten, was das Zeug hielt. Es war ein toller Anblick. Auch sehr gut in Ls eigenem Livestream zu sehen, wobei der Kameramann ständig rief „Die Omas kommen! Die Omas kommen!“ L und seine Gesellen waren total überrumpelt. Er hörte sofort auf zu reden und drehte seine Boxen mit Musik voll auf. Konnte uns aber nicht übertönen.
Die Polizei ließ ebenfalls nicht lange auf sich warten und bildete sofort zwei enge Reihen zwischen uns und L. Die eine Reihe wehrte die ersten spontanen Angriffe der Nazis gegen uns ab, die Zweite drängte uns auf einen gewissen Abstand zu L zurück. Dabei wurde ich ständig von einem Polizisten geschubst, der auch im Ton sehr ruppig war. Andere in der Reihe waren dagegen sehr freundlich. Nachdem klar war, dass wir den Abstand einhalten würden und keine gewaltbereite Truppe waren, verschwand die Polizei auf unserer Seite so nach und und nach. Sie hatten ihre Wagen in einer Reihe auf den Platz gefahren, und Ls Leute durften diese Linie nicht überqueren. Eine Hallenser OMA hat unsere Solidaritätskundgebung als spontane Demo angemeldet, somit durften wir auch rechtlich bleiben.
Wir stellten ebenfalls schnell fest, dass es bedingt durch die pralle Sonne von oben, der aufgeheizten Steine von unten und den lauten Boxen von L nicht möglich war, zu singen. Dafür reichte unsere Kraft einfach nicht. Aber wir hatten ja noch die Trillerpfeifen, und die blieben nicht eine Sekunde stumm. Die Sambaleute gaben immer wieder den Rhythmus unseres OMA-Alerta-Rufes vor, der dann skandiert wurde. Und dann wurde wieder getrillert. Dazu verteilten wir OMA-Flyer mit Kontakt zu den Hallenser OMAS, und vorher ausgewählte Sprüche wurden auf dem Boden des Marktes verteilt aufgeklebt.
Außerdem ließ die Kirche am Markt 5 Minuten lang zu unserer Unterstützung die Glocken läuten und rief auf zum gemeinsamen Gebet für die Frieden und gegen die rassistische Hetze auf dem Marktplatz.
Auf unserer Seite war kein Wort von dem zu hören, was L an Hetze und Beleidigungen über den Platz brüllte. Im Gegenteil, immer mehr drehten ihm den Rücken zu und wir machten unsere eigene Party. Erst recht, als noch eine Sambagruppe dazu stieß. Inzwischen hatten sich noch ca. 150 – 200 Menschen angefunden, die sich zu uns gesellten und mit uns feierten. In der Hauptsache waren es junge Menschen. Und als L sich einmal umdrehte und seine Boxen auf uns richtete, um uns sein selbstgedichtetes Lied über die Oma zu singen, die eine linke alte Sau ist, legte die Sambagruppe richtig los, die Omas trillerten noch lauter und L versank wieder im Lärm. Niemand auf unserer Seite hörte ihm zu.
Das hat L sehr erbost. Er war danach sehr bestrebt, in seinem Telegramkanal immer wieder zu betonen, dass wir bei ihm überhaupt nicht zu hören waren, und unsere Stimmchen total untergingen, er die Meinungshoheit auf dem Platz hatte usw. Er hat sogar später aus seinem Stream unsere Trillerpfeifen aus seiner Tonspur geschnitten, um seine Behauptungen zu unterstützen. Einfach armselig.
Er war so aufgeregt, dass er Leute, die sich ansammelten um zur nachfolgenden Coronaleugner-Demo zu gehen, aufs wüsteste beschimpfte, da er sie ebenfalls für OMAS hielt.
Nach einer Stunde verkündete L dann, dass er spontan verlängern wolle. Er holte die Boxen von seinem Auto und einer seiner Kumpane brachte noch zwei Stück. Diese Boxen stellten sie zwischen die Polizeiautos und richteten sie auf uns. Doch da schritt dann die Polizei ein und Liebich musste einpacken. Im wahrsten Sinne des Wortes. Wie auf Kommando strömten nun OMAS und andere Leute an die Linie der Autos und riefen: Hau ab! So wurde es wieder nichts mit dem Niederbrüllen der OMAS. Ihm blieb nur, sich vor einer einzelnen OMA aufzubauen und ihr eine verbale Fäkalie ins Gesicht zu schreien. Das wurde jedoch von Zeugen und einer Kamera dokumentiert und kommt zur Anzeige.
Im Internet gab es viele positive Reaktionen auf die OMA-Aktion. Vor allem auf Twitter bekamen wir viel Zuspruch und der Begriff „EhrenOMA“ wurde geschaffen und vielfach verwendet.
Nach der Aktion sanken wir ermüdet in die Sessel der Eiscafés. Es folgten noch einige schöne Gespräche mit den OMAS aus den anderen Regionen und der Wunsch, solche gemeinsamen Aktionen weiter zu machen.
Die Hallenser OMAS waren restlos begeistert und sind mehr als zufrieden mit der Solidaritätsaktion. Die Presse hat das Thema aufgegriffen und die ganze Woche immer wieder angesprochen. Der Hallenser Bürgermeister sprach Kritik an der Versammlungsbehörde aus, die L schon seit Monaten gewähren lässt. Die Pastorin der Kirche am Markt äußerte sich ebenfalls öffentlich und forderte, dass L Einhalt geboten werden solle. Die Inhaber der Marktstände und der Geschäfte um den Markt beschwerten sich, dass sie durch L Geschäftseinbußen hätten, da die Leute den Marktplatz verlassen, wenn er anfängt. Er wirke sich sogar negativ auf das Tourismusgeschäft aus. Ein SPD-Abgeordneter hat dazu eine Kleine Anfrage ans Landesparlament geschickt.
Es ist also etwas ins Rollen gekommen. Nicht nur bei den Hallenser OMAS, die sich jetzt wieder motiviert und unterstützt fühlen und weiter machen wollen. Die OMAS GEGEN RECHTS bewirken etwas!
Herzliche Grüße
OMA Maja

„Alerta, alerta, die Omas sind härter!“
Ich habe es nur aus der Ferne verfolgen können.
Was für eine mutige Aktion der Omas Gegen Rechts in Halle!
Der Marktplatz in Halle wird seit Monaten regelmäßig von Rechtsradikalen mit Beschlag belegt: Neonazis halten Kundgebungen ab. Sie benutzen Angst und Unsicherheiten in der Corona-Krise, um rassistische, antisemitische und extrem rechte Haltungen zu proklamieren. Das Bündnis "Halle Gegen Rechts" hat diesen Vorgang auf seiner Website beschrieben und zu einer „Kundgebung gegen rechte Raumnahme“ am 08.08.2020 aufgerufen.
Einen Hintergrund zu der Kundgebung bildeten die Beschimpfungen, zT sexistischen Beleidigungen und Bedrohungen von Omas Gegen Rechts, insbesondere von Frauen aus der Hallenser Gruppe. Omas Gegen Rechts aus der ganzen Republik haben sich vorgenommen, dem entgegenzutreten und sind am 08.08.2020 zu einer Sternfahrt nach Halle aufgebrochen. Hier eine Linksammlung zu Berichten vom gleichen Tag Abends in verschiedenen Medie: Kommentare und eindrucksvolle Bilder und Videos!
Du bist Halle - schaut auch einmal in die Kommentare
facebook Halle gegen Rechts "...trotz der wirklich argen Hitze haben die Omas dafür gesorgt, dass Liebich heute auf dem Markt richtig Widerspruch bekommen hat... Wir danken allen, die heute erfolgreich dafür gesorgt haben, dass der zunehmenden rechten Raumnahme etwas entgegengesetzt wurde! Insbesondere den “Omas gegen Rechts”, den Antifaschist_innen in der Sitzblockade und den spontanen Kundgebungen gegen die extrem Rechten."
Reinhard
Nachtrag:
Der Vorsitzende der SPD-Fraktion hat sich in einem Brief vom 18.08.2020 an die Omas Gegen Rechts für die Aktion bedankt.